Für einen erfolgreichen Strukturwandel im Braunkohlerevier Sachsen-Anhalt sind weiterhin kluge Köpfe und Ideen gefragt. Auf der Suche nach diesen waren mit dem Ideenwettbewerb REVIERPIONIER Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, sich aktiv am Strukturwandelprozess zu beteiligen – mit ihren Ideen, ihren Initiativen und ihrem Engagement. Dazu fand im November 2022 die Auftaktveranstaltung in der Festscheune in Röblingen am See statt. An dieser nahmen auch zahlreiche Akteure aus der Lutherstadt Eisleben teil – unter ihnen Bürgermeister Carsten Staub. Der erinnert sich rückblickend: „Damals hab ich mich schon etwas gefragt, wo die Reise hingehen soll.“ Um so überraschter und erfreuter war er dann aber, als er erfuhr, dass vier Kindereinrichtungen des Eigenbetriebes Kindertageseinrichtungen der Lutherstadt Eisleben unter den Preisträgern des Ideenwettbewerbes ausgewählt und mit jeweils 4500 Euro Preisgeld prämiert wurden.
Doch was versteckt sich hinter den einzelnen Projekten?
Um das zu erfahren, lud er sich die Leiterinnen der einzelnen Einrichtungen und den Leiter des EB-Kita zu einem Arbeitsgespräch ins Rathaus ein. Bevor die vier Projekte vorgestellt wurden, richtete das Stadtoberhaupt dankende Worte an die Akteure: „Dankeschön, dass sie sich beworben haben. Ich bin froh und stolz, dass Eisleben so reichhaltig bedacht wurde, spiegelt es doch auch die vielfältige und qualifizierte Arbeit in den einzelnen Kindereinrichtungen wieder. Das sind allesamt Projekte, wo man in kürzester Zeit Fortschritte sehen wird“, ist er zugleich sehr zuversichtlich.
Und so erzählt Karin Weißenborn von der integrativen Kita „Bummi“ von ihrem Projekt, das in der Kategorie „Revier gestalten“ ausgewählt wurde. Gestaltet werden soll das Außengelände der Kindereinrichtung in der Lindenallee in Eisleben. Das Thema „Nachhaltigkeit“ spielt dabei in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Rolle. „Wir haben große Rasenflächen, die aufwendig in der Pflege sind, gerade in trockenen Sommermonaten“. Dafür wird eine Zisterne geplant. Naturhecken und Bienenwiesen werden angelegt, Bäume sollen gepflanzt werden, als natürliche Schattenspender, schnell wachsende und weniger Wasser verbrauchende. „Wie denken wir in Zukunft Kita?“, fragt die Kitaleiterin mehr rhetorisch und beantwortet die Frage gleich selbst: „Zusammenhängend und größer“. Denn nachhaltig soll nicht nur das Außenareal werden, sondern auch die Gewinnung potentieller Mitarbeiter. Was liegt also näher, als diese von Anfang an in den Prozess einzubinden, ganz von Anfang an, bevor sie anfangen in der Einrichtungen zu arbeiten. So werden Kooperationen mit Schulen angestrebt, die Erzieher ausbilden. Denn so ein (nach)wachsendes Konzept soll nicht nur verinnerlicht, sondern auch gelebt, weitergelebt werden, in einer zweiten Bewerbung, in der nächsten Förderphase von „REVIERPIONIER“, beispielsweise.
Gedanken hat man sich auch in der Kita „Apfelbäumchen“ in der Magdeburger Straße gemacht. Leiterin Katrin Weser formuliert es vorsichtig: „Wir sind eine soziale Brennpunkt-Kita. Derzeit haben wir 53 Kinder mit Migrationshintergrund und 36 deutsche Kinder. Sprachbarrieren sind hier Kita-Alltag. Die Erzieher verstehen die Eltern nicht, die Eltern nicht die Erzieher. Unsere zentrale Frage war und ist: Wie bekommen wir die Eltern ins Boot? Wie bauen wir gegenseitige Berührungsängste ab? Wie schaffen wir Sprachanlässe?“. Ein Kita-Garten, so die Idee, ein Projekt, eine gemeinsame Arbeit. Das verbindet. Ein Garten soll entstehen mit Hochbeeten, wo verschiedene Gewürze – landestypische - angebaut werden, Spalierobst und Apfelbäume – ganz klar – und ein Weidentunnel geflochten. Alles und alle gemeinsam, versteht sich. „Wir müssen neue Wege finden, um einander zu verstehen“, resümiert sie, „und voneinander zu lernen“. Voneinander lernen ist zentrales Thema, nur so schafft man Verständnis, Respekt, Akzeptanz und Integration. So kann gemeinsam Zukunft gehen. Deshalb wurde dieses Konzept auch in der Kategorie „Zukunft gestalten“ ausgewählt.
„Zukunft“ gestalten will auch der Hort der Grundschule „Torgarten“. Das ebenfalls mit 4500 Euro unterstützte Projekt lädt in den kommenden sechs Monaten zu einer Reise um die Welt ein, verrät Dominik Filipp. In der Zeit von Oktober 2023 bis Mai 2024 lernen die Kinder zehn verschiedene Herkunftsländer (derzeit besuchen Kinder aus zehn verschiedenen Ländern die Einrichtung) kennen. „Wir werden landestypische Gerichte ausprobieren, selber kochen, Tänze lernen, über Religionen sprechen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede unter- und miteinander herausfinden. Am Ende des Projektzeitraumes feiern wir ein großes Fest“, beschreibt der Erzieher das eingereichte Konzept. Dass dabei alle – also auch die Eltern - mit eingebunden werden, versteht sich von selbst.
Einen ganz anderen, nicht weniger spannenden Weg geht die Kita „Gänseblümchen“, die mit ihrem Projekt „Tonspur Gänseblümchen“ das Thema Digitalisierung aufgreift und von einer kindgerechten Seite betrachtet. Auch diese Kindereinrichtung hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Auch hier wird gepflanzt, gegärtnert, von den Kindern beobachtet, was wächst und gedeiht und wie das alles passiert und zusammenhängt. Begleitet durch eine Medienpädagogin beobachten die Kinder diese natürlichen Prozesse nicht nur, sondern digitalisieren sie auch, sprich, dokumentieren sie für die Nachwelt. Ein spannender Ansatz, der sich durchaus von den anderen Projekten abhebt. Letztlich, so fasst es Arwed Reichelt, der Leiter des Eigenbetriebes zusammen, geht es darum, erste Impulse zu setzen. Revierpionier als Initialzündung, als Wegbereiter in die Zukunft. Damit dürfte schon mal ein Förderziel erfüllt sein.
Allen Beteiligten wird die Daumen gedrückt, allen voran durch den Bürgermeister, dem, nicht ganz uneigennützig, am Gelingen der Projekte und damit an der Zukunft der Stadt gelegen ist.