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Wolfgang Herzberg liest im Kultursprudel

Aus Wolfgang Herzbergs neuestem, sein, wie er selbst sagt, vielleicht wichtigstem Werk hatten vergangenen Donnerstag interessierte Zuhörer im „Kultursprudel“ das Vergnügen, Auszüge zu hören. Die Begrüßung übernahmen Tobias Hebel, Mitarbeiter vom Verein „Erlebniswelt Museen“ bzw. des daran angegliederten Projekts „Glück Auf!-Wohin? - Der Landkreis Mansfeld-Südharz erfindet sich neu“ und Rüdiger Seidel vom Synagogenverein Eisleben e.V., die gemeinsam diese Lesung organisiert hatten. Zur Einstimmung – nicht nur passend zur Jahreszeit – hörten die Gäste Herzbergs „Nebellied“, bevor sich der Autor selbst an die Zuhörer wandte. Wolfgang Herzberg – so viel sei hier noch erwähnt – ist der ältere Bruder des Sängers André Herzberg. Aus seiner Feder stammen eine Vielzahl von Liedern, die die Band „Pankow“ berühmt werden ließ. Und Wolfgang Herzberg ist Jude. Und links. Und genau so heißt auch sein neuestes Buch – eine Familiengeschichte – Jüdisch&links. Wolfgang Herzberg, Jahrgang 1944, wurde in Leicester geboren. Seinen Eltern gelang 1939 die Flucht aus Deutschland. Seine Großmutter mütterlicherseits starb vermutlich während der Deportation ins Konzentrationslager. 1947 migrierte die Familie nach Berlin. Die Mutter ist überzeugte Sozialisten und bereit, dieses Land – die DDR - mit aufzubauen. Herzberg nimmt sich den Lebenserinnerungen seiner Eltern an. Die Mutter arbeitet als DDR-Staatsanwältin, der Vater als Rundfunkjournalist. Der Autor „bohrt ein dickes Brett“: Als „Ich-Erzähler“ schlüpft er abwechselnd in die Rolle der Mutter und in die des Vaters. Behutsam tastet er sich in Geschichten vor, wechselt zwischen Gedichten und Liedtexten und Tagebuchaufzeichnungen, lässt tief blicken, in den inneren Zustand einer jüdischen Familie, seiner Familie, zwischen politischen Überzeugungen und Religion, Desillusion und Resignation. Herausgekommen ist ein dickes Buch. Den Eltern gewidmet, ihrer Erinnerungen verpflichtet. Das ist sein Beruf – Herzberg selbst bezeichnet sich als Zeitzeugenbefrager. Das hat er sich zur Aufgabe gemacht. Zeitzeugen Erinnerungen zu entlocken, sie, also ihre Erinnerungen zu konservieren. Arbeiter sind es zumeist, die er zu Wort kommen lässt, Geschichten von „unten“ möchte er erzählen. Gelungen ist im aber auch Geschichte von „oben“ (nach unten) einzufangen. Vielbeachtet deshalb auch sein „Kreuzverhör“ mit Honecker, das ihm 1990 bei einem breiten Publikum in Ost und West bekannt werden ließ. Herzberg und Co-Autor Reinhold Andert versuchen dabei tief in die Gedankenwelt der gerade gestürzten DDR-Protagonisten Margot und Erich Honecker einzutauchen. Ohne zu werten, ohne zu verurteilen, sie hören zu und geben wieder – so, wie es Zeitzeugenbefrager eben tun. Und daran, so der Autor, solle ein Mensch letztlich beurteilt werden, an seinen Taten und nicht an seiner Herkunft. Eine Formel, die geradezu universell daherkommt und daher wohl auch nichts an ihrer Gültigkeit eingebüßt hat nzw. einbüßen wird. Wolfgang Herzberg nahm sich Zeit für sein Eisleber Publikum, mehrheitlich zu einer Generation gehörend, die die DDR noch erlebt hat und sich deshalb durchaus mit den Schilderungen Herzbergs Eltern auseinandersetzen kann. Gut, dass der Autor diese nun konserviert hat. Denn in ein paar Jahrzehnten wird das nicht mehr der Fall sein.