Berlin ist nicht mehr das, was es mal war … konstatiert Clifford Bradshaw – und man fragt sich unweigerlich: War es das jemals? Doch beginnen wir lieber ganz von vorn. Die Geschichte ist schnell erzählt: Ein junger, erfolgloser, dafür umso ambitionierter Schriftsteller aus Amerika sucht Inspiration in der großen Stadt – und verliebt sich.
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Berlin, Anfang der 1930er Jahre, lebt noch vom Glanz der Goldenen Zwanziger, ist aber längst zum Moloch geworden. Clifford ist schnell angekommen – im Nachtleben, im Rausch der Musik, in der Pension von Fräulein Schneider. Und natürlich im Kit-Kat-Club, wo ihn nicht nur Sally Bowles – Star der Nacht – mit all ihren Reizen in den Bann zieht.
Ihre Liaison endet so rasch, wie sie begann. Sally will Karriere, nicht Familie – und nimmt dafür selbst die sich verdüsternden politischen Verhältnisse in Kauf, die Clifford letztlich aus der Stadt (ver)treiben. Während Ernst Ludwig, Cliffs scheinbar joviale Reisebekanntschaft, sich vom Biedermann zum Brandstifter, respektive zum überzeugten Nationalsozialisten wandelt, zerbricht Fräulein Schneiders (zu) späte Liebe zum jüdischen Obsthändler Herrn Schultz an der Angst und Anpassung ihrer Zeit.
Es ist das letzte Aufbäumen einer Gesellschaft, die in Bälde in Düsternis versinken wird – inszeniert mit solcher Dichte, dass man fast den Atem anhält. Zur Pause hin fallen Hakenkreuzfahnen von der Empore des Großen Saals, und auch jene, die nicht tief im „Cabaret“-Stoff stecken, wohl aber im Geschichtsunterricht etwas aufgepasst haben, ahnen: Das wird nicht gut ausgehen.
Nicht für Sally. Nicht für Cliff. Nicht für Fräulein Schneider. Und schon gar nicht für Herrn Schultz. Wohl aber für Regisseur und Intendant Frank Martin Widmaier, der mit dieser Inszenierung sein Debüt in Eisleben feiert. Das Publikum zollt es begeistert mit einem einhelligen Fazit: Grandios! Bravourös bestanden! Großartig!
Standing Ovations – verdient, allesamt: vom Ankleider, Bühnenbildner, -techniker, Kostümbildner, Beleuchter – kurzum, alles, was das Theater an Gewerken zu bieten hat, war in dieses Stück eingespannt und hat großartig „abgeliefert“. Nicht zu vergessen das Ensemble – Christopher Wartig als Conférencier, Julius Christodulow als Cliff Bradshaw, Julius Böhning, neue Gesichter wie Vivian Mickisch als Sally, Frederike Fink als Fräulein Kost und Marcel Frank als Ernst Ludwig, die mit Cabaret in Eisleben ihren Einstand geben – und „alte Bekannte“ wie Annette Baldin und Oliver Beck, die einmal mehr unter Beweis stellen, dass sie nicht nur spielen, sondern auch hervorragend singen können.
Denn davon lebt Cabaret – von seinen Liedern, vorgetragen durch die Schauspieler und begleitet von einer Live-Band.
Dass Widmaier sich an diesen Stoff wagt – Respekt! Dass er ihn so konsequent und schonungslos auf die Bühne bringt – Chapeau! Hier hat einer das Maximale aus dem Haus geholt. Daran wird man sich noch lange erinnern.
Nichts wurde geschönt, nichts verharmlost – sondern erzählt, getanzt, gesungen, gelitten.
Wie das Leben selbst: ein Cabaret.
Wer möchte, kann Parallelen zur heutigen Gesellschaft ziehen. Wer möchte.
Und sich dann fragen: Was wäre, wenn das alles wirklich wahr wird? Wohin sollen wir dann fliehen?
Aber, vielleicht sollten Sie sich selber überzeugen - die nächsten Termine für IHR Cabaret:
So, 26.10.2025, 16.00 Uhr; Di, 28.10.2025, 09.30 Uhr; Mi, 29.10.2025, 09.30 Uhr; Sa, 6.12.2025, 19.30 Uhr; Di, 30.12.2025, 19.30 Uhr und Mi, 31.12.2025, 18.00 Uhr.
Fotos: ©Julia Fenske


